Buchrezension: «Traumfänger» von Marlo Morgan

Veröffentlicht am 16. September 2025 um 08:35

Im Roman Traumfänger, der 1995 erstmals erschien, geht es um eine Amerikanerin, die unverhofft mit einem australischen Stamm «Aborigines» auf ein Walkabout geht, welches ihr Leben und ihre Einstellung nachhaltig verändert. Die Geschichte ist aus der Sicht der Protagonistin geschrieben und liest sich so, als hätte sich diese wirklich zugetragen. Zu Beginn verweist sie auf den Schutz der so genannten «Wahren Menschen» und dass sie daher einige Gegebenheiten und Örtlichkeiten nicht detailgetreu wiedergeben kann.

Die Protagonistin lancierte verschiedene Projekte mit Halbblut-Aborigines und wurde immer wieder einmal für Auszeichnungen eingeladen. Daher dachte sie sich auch nicht viel dabei, dafür nach Australien zu fliegen, wo sie von einem Aborigines-Stamm eingeladen wurde. Sie rechnete mit einem Abendessen und kleidete sich auch entsprechend elegant mit hohen Schuhen und Schmuck.

Am entsprechenden Abend wurde sie dann von einem Jeep abgeholt und die Fahrt führte sie meilenweit in die Wüste. Endlich angekommen, wurde sie angewiesen, sich ihrer Kleidung und allem Schmuck zu entledigen und eine Art Wickelkleid anzuziehen. Dies ohne Umkleidekabine oder ähnliches. Ihre Kleidung, ihr Schmuck – ja alle ihre Habseligkeiten wurden dann vor ihren Augen einem Feuer übergeben.

Diese Szene ist der Beginn ihrer eindrücklichen Reise mit einem Stamm, der sich «die Wahren Menschen» nennt und sich ohne Wohnsitz und mit nur ganz wenigen Gegenständen durch das Leben bewegt. Sie erlebt dabei, was die Natur alles an Heilmitteln zur Verfügung stellt, wie man auf telepathische Weise kommuniziert, wie befreiend ein Leben ohne Konsum ist, wie wertvoll eine Wasserquelle oder eine Mahlzeit (unter anderem Dinge, die sie zuvor niemals probiert hätte) sein können und auch, dass wir Menschen in der Lage sind, uns an ganz viele Umstände anzupassen. Natürlich dauert es sehr lange, bis sie sich an die Situation gewöhnt, würde sie gerne auf einige Ereignisse und Abenteuer verzichten und bleibt sie bis zum Schluss die Exotin. Beispielsweise zeigt sie dafür dem Stamm einmal, was eine Sauce ist. 

Statt den Geburtstag zu feiern, etwas, was wir nicht beeinflussen können, feiern die Aborigines ein Fest, wenn eine Person fühlt, sich weiter entwickelt zu haben. Jede Person hat ihre Gabe (z.B. heilen, zuhören) und daraus wird ihr Name gebildet. Ein Tier wird nur dann erlegt, wenn es sich zur Verfügung stellt. Dies merken sie anhand telepathischer Kommunikation mit dem entsprechenden Tier, bedanken sich bei ihm und verwenden dann auch gar alle Bestandteile von ihm. Die Aborigines in dieser Erzählung hinterlassen niemals Spuren, feiern das Leben mit allem, was dazu gehört und geniessen Dinge so lange, wie sie sie haben. Sie können jedoch auch direkt wieder loslassen und gehen auch sehr natürlich mit dem Tod um.

Zum Schluss offenbaren sie ihr noch ihr Heiligtum, eine Höhle, in der sich einige geschichtliche Dinge befanden, die die Aborigines im Laufe der Zeit angeeignet hatten. Dies war das erste und einzige Mal, dass der Stamm Anspruch auf so etwas wie persönlichen Besitz erhob. Die Protagonistin kehrte dann wieder zurück in ihr «altes» Leben und wurde vom Stamm als Botschafterin getauft, um der Gesellschaft mitzuteilen, dass die «Wahren Menschen» sich nicht mehr vermehren und bald diese Welt verlassen werden.

Dieses Buch fesselt, ja schockiert auch manchmal und schafft es, den Leser in seinen Bann zu ziehen. Es vermittelt einige wertvolle Lebensweisheiten und regt zum Umdenken an, gerade in unserer Konsumgesellschaft. Aufgrund der Schreibweise und der realistischen Schilderungen fällt es zudem nicht schwer, sich mit der Protagonistin zu identifizieren.

Marlo Morgan hat erst einige Jahre nach der Veröffentlichung zugegeben, dass dies wirklich ein erdachtes Werk ist und nicht auf wahren Begebenheiten beruht. Damit hat sie ganz viele Gegner gewonnen, die plötzlich nichts mehr Gutes an ihrem Buch finden. Dies finde ich sehr schade. Meiner Ansicht nach braucht es unglaublich viel Fantasie und eine sehr differenzierte Auseinandersetzung mit verschiedensten Naturthemen, um so eine Geschichte zu erfinden. Zudem berühren mich die Kernaussagen des Buches sehr. Es geht dabei zum Beispiel um den Glauben an sich selbst, um das Vertrauen in das Leben und die Verbundenheit mit der Natur und allen Lebewesen.

Jeder, der sich mit dem Kreislauf des Lebens, dem Urvertrauen und der Reise zu sich selbst beschäftigen möchte, sollte meiner Meinung nach dieses Buch lesen.

Zum Schluss noch eine persönliche Anmerkung dazu, wie dieses Buch mich gefunden hat. Meine Mutter hat mir in meiner Jugendzeit, als ich bereits viele Bücher für Erwachsene las, mehrmals gesagt, ich soll dieses Buch lesen. Es sprach mich jedoch absolut nicht an und ich lehnte dies mehrfach ab. Sie verstarb jung und ich verschenkte ihr Exemplar zusammen mit vielen anderen ihrer Bücher. Später war ich auf Reisen in Deutschland und entdeckte es vor einer Buchhandlung als preisreduziertes Mängel-Exemplar, wo es mich magisch anzog. Ich habe es dann gekauft und auf einer Amerika-Reise zum ersten Mal gelesen. Nun verstehe ich absolut, was mir meine Mutter damit zeigen wollte.

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