«Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das Eine vom Anderen zu unterscheiden.» Das ist das sogenannte Gelassenheitsgebet und kommt mir immer wieder mal in den Sinn. Das Wort «Gott» kann durchaus auch durch jedes beliebige andere Konstrukt ersetzt werden, welches euch besser gefällt, denn es soll nicht um das Thema Glauben gehen. Wenn ich dies so schreibe, fällt mir gerade auf, dass hier das Thema Gelassenheit schon anfängt. Ich habe stets die Wahl, auch einmal eine Fünf gerade stehen zu lassen und nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen.
Letzte Woche ging es um das Thema Entscheidungen und die heutige Folge schliesst sich dem eigentlich direkt an. Wir können viele Entscheidungen treffen, müssen danach aber auch mit den Konsequenzen leben. Das ist ja genau das, was Entscheidungen manchmal so schwierig macht. Beispielsweise entscheide ich mich umzuziehen, finde meine Traumwohnung, aber die Nachbarn nerven mich oder mir gefällt mein Job, aber gewisse Gegebenheiten entsprechen nicht meiner Vorstellung oder ein Kollege passt mir nicht etc. Diese Woche soll es darum gehen, wie ich denn nun mit den Konsequenzen meiner Entscheidungen oder auch allgemein mit den Unannehmlichkeiten im Leben umgehen kann. Fakt ist, dass ich nur begrenzten Einfluss darauf habe, was mir passiert oder von aussen an mich herangetragen wird. Jedoch kann ich entscheiden, wie ich damit umgehe und habe auch die Möglichkeit, meine Einstellung zu verändern.
Mir ist durchaus bewusst, dass dies nicht so einfach ist, wie es klingt und dass es je nach Geschichte einiges mehr benötigt, als ich es in diesem Rahmen beschreiben könnte. Gerne möchte ich euch jedoch einige Impulse dazu mit auf den Weg geben, die in solchen Situationen hilfreich sein können. Für mich ist Abgrenzung ein wichtiges Stichwort und ein Thema, wo ich immer wieder etwas dazulerne. Sobald ich mich irgendwo engagiere und mir etwas wichtig ist, kann ich mich schon sehr aufregen über Situationen, Dinge, Personen, von denen ich mich in meinem Handlungsspielraum eingeschränkt fühle. Ich darf jedoch immer wieder aufs Neue herausfinden, dass ich die Wahl habe, wie viel Energie ich diesen Hindernissen in meinem Leben gebe.
Wie kann ich dies angehen? Ich selbst schreibe mir Dinge gerne auf, um sie mir bewusst zu machen. Was auf jeden Fall hilfreich ist und auch einmal eine eigene Folge in diesem Blog verdient ist die Dankbarkeit. Je mehr ich den Fokus darauf lege, wofür ich dankbar bin, desto mehr fällt mir dies auf und gerät das andere in den Hintergrund.
Oft sind unsere eigenen Vorstellungen und Erwartungen die Grundlage dafür, dass wir uns aufregen oder aus dem Gleichgewicht geraten. Wir haben jedoch jeden Tag die Möglichkeit, uns für eine neue Sichtweise zu entscheiden. Was ist, wenn ich den «mühsamen Arbeitskollegen» einfach anlächle und versuche, seine Sicht der Dinge nachzuvollziehen? Damit meine ich nun nicht, dass ich seiner Meinung sein oder sein Verhalten gutheissen muss. Jedoch könnte ich durch dieses Experiment neue Erkenntnisse gewinnen und was habe ich dabei schon zu verlieren? Manchmal hilft es nur schon, etwas Kleines zu verändern, um im Endeffekt grosse Wirkungen zu erzielen. Dasselbe gilt auch für unseren Umgang mit uns selbst und unseren Fehlern.
Jetzt mal ehrlich: «Wann und worüber habt ihr euch zuletzt so richtig doll den Kopf zerbrochen? Es ist dabei sogar gut möglich, dass ihr euch ein paar Tage später kaum noch daran erinnern könnt oder nicht mehr versteht, wie sehr ihr euch in diesem Moment über etwas aufgeregt oder Gedanken gemacht habt. Ich kenne dieses Phänomen sehr gut und dabei hilft mir, die Sache in Relation zu setzen. Wie relevant wird diese Sache in zwei Tagen noch sein? Und in zwei Wochen oder gar in zwei Jahren? Bei dieser Anschauung denke ich gerne an eine Zeitung. Was heute auf der Titelseite prangt und überall diskutiert wird, ist in einem Monat oft schon wieder vergessen.
Zudem finde ich es total beruhigend, mir bewusst zu machen, dass jede Person in erster Linie seine eigene Sicht hat und über sein eigenes Leben nachdenkt. Beispielsweise fallen mir selbst mein grauer Haaransatz, ein Pickel im Gesicht oder jegliche sonstige Ungereimtheit sofort ins Auge, wenn ich in den Spiegel sehe. Dadurch habe ich in diesem Moment das Gefühl, dass dies meinem Gegenüber direkt auffallen wird. Erstaunlicherweise stelle ich jedoch oft fest, dass zum Beispiel vielen erst nach ein paar Wochen auffällt, wenn ich eine neue Brille trage (und die ist ja wirklich mitten im Gesicht und deutlich zu sehen) oder Dinge gar nicht auffallen, bis ich sie aktiv thematisiere. Nur schon, sich diese Tatsache bewusst zu machen, kann sehr beruhigend wirken.
Ich höre mir gerne Podcasts an und manchmal gibt es Dinge, die jemand da erzählt, die ich kritisch finde oder wo ich merke, dass dies schon sehr intim ist und dass es mir unangenehm ist für die Person, die dies erzählt oder die ich einfach unangebracht finde. Spannenderweise kann ich mich jedoch trotzdem nach kürzester Zeit nicht mehr an den genauen Inhalt und wenig später nicht einmal mehr an den Kontext erinnern. Solche Beobachtungen helfen mir enorm, wenn ich wieder einmal in dieses Muster gerate, wo ich meine eigenen Aussagen auf die Goldwaage lege oder mir zu viele Gedanken darüber mache, wie dies oder jenes auf andere wirken könnte. Ich merke tatsächlich, dass mir Gelassenheit dabei immer besser gelingt.
Noch etwas weiter gehe ich mit meiner nächsten Behauptung. In hundert Jahren wird sich wahrscheinlich kaum noch jemand oder eher gar niemand mehr an uns erinnern und ist das meiste, was wir jetzt sagen oder tun (bis auf Dinge, die länger bleiben könnten wie geschriebene Bücher, gebaute Häuser etc.) absolut nichtig. Gerade deshalb finde ich es unerlässlich, mich selbst sein zu dürfen (Da wären wir wieder bei der Authentizität.) und den unangenehmen Situationen in meinem Leben nicht zu viel Raum zu geben. Denn ich entscheide im Hier und Jetzt, wie ich meine Lebenszeit einteile und wo ich meine Prioritäten setze.
Hier noch einige weitere Fragen, die unterstützend dazu beitragen können, meinen Weg in eine gewisse Gelassenheit zu finden: Ist mir diese Situation (z.B. der unangenehme Nachbar) wirklich so viel wert, dass ich jeden Tag Zeit damit verbringe, mich über sie aufzuregen? Was kann ich konkret an der problematischen Situation ändern? Muss ich immer alles geben oder leisten, was ich könnte? Was ist das Schlimmste, was passieren kann und wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies eintrifft? Was verliere ich dabei, wenn ich mich aus einer Situation raushalte oder mich selbst etwas zurückhalte? Was könnte ich dabei gewinnen? Ist diese Sache in einer Woche noch relevant? Ihr könnt diese Fragen natürlich beliebig ergänzen und werdet schnell feststellen, dass sie euch immer weiter in die Tiefe und zum Kern eurer Wahrheit führen. Jeder von uns hat es in der Hand, wofür er seine Energie investiert.
Ganz eindrücklich erlebe ich dies bei meinen schwerkranken Patienten, welche nur noch wenig Kraftreserven übrig haben. Da ist es besonders bedeutsam, sich diese einzuteilen und sie möglichst dafür einzusetzen, was einem wichtig ist. Wieso also nicht jetzt, unabhängig vom eigenen Gesundheitszustand damit anfangen, sich seiner Prioritäten bewusst zu werden und diese unter Umständen gezielt zu verändern?
Gerne gebe ich euch auch noch ein Zitat von Richard Carlson aus dem Buch «100 Regeln für ein Gutes Leben» mit auf den Weg: «An etwas krampfhaft festzuhalten, bedeutet Ernst und Anspannung. Vorstellungen fallenzulassen bedeutet, sich das Leben zu erleichtern. Das können sie gut üben, indem Sie einmal einen Tag ohne Erwartungen angehen: Erwarten Sie nicht, dass die Menschen nett sind. Wenn sie es nicht sind, wird Sie das weder überraschen, noch ärgern. Sind sie es doch, werden sie entzückt sein.»
Was mir in Bezug auf Gelassenheit auch hilft, ist die Tatsache, dass nichts so bleibt, wie es ist. Unabhängig davon, ob mir etwas behagt oder eben überhaupt nicht, es wird sich wieder ändern. Durch dieses Bewusstsein kann ich schwierige Momente gestärkter durchstehen und schöne Momente mehr geniessen.
Auch der Spruch von John Lennon: «Leben ist das, was passiert, während Du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.», passt für mich zum Thema Gelassenheit. Wir haben nun einmal nicht alles in der Hand. Je mehr ich meine konkreten Vorstellungen loslassen kann, desto bewusster und auch gelassener kann ich durchs Leben gehen.
Damit schliesse ich nun meine heutigen Ausführungen ab und bedanke mich bei allen, die bis hierhin gelesen haben. Danke auch für jede einzelne Rückmeldung. Mir wurde nahegelegt, die Schrift etwas grösser zu machen, um das Lesen angenehmer zu gestalten, was ich gerne umgesetzt habe. Ich bin weiterhin offen für Rückmeldungen aller Art und auch für Themenvorschläge.
Nun wünsche ich euch eine Woche voller Momente der Gelassenheit und inneren Ruhe.
Herzliche Grüsse
Nicole
Kommentar hinzufügen
Kommentare
Danke für den inspirierenden Beitrag.
Ich habe meine Stimme aus versehen mit 3 Sternen abgegeben, ohne Absicht. Und nun kann ich das nicht mehr ändern. Wie im Leben gesprochene Worte nicht mehr zurückgenommen werden können.
Eine Ergänzung meinerseits:
Ich kann nicht alles bestimmen und erzwingen. Was ich kann, ist ein Umfeld schaffen, in dem meine Wünsche in Erfüllung gehen können.
Zum Beispiel, in dem ich sage was ich will und was nicht. Was dann geschieht kann ich nicht bestimmen, aber wenn ich nichts sage ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass nicht geschieht, was ich will ;-)